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Großübung im Engelbergtunnel

Bericht vom 01.04.2019
1 Zeitungsartikel   115 Bild(er)  

(mf) Sonntag, 31. März 2019, 08:03 Uhr: Die Disponenten in den integrierten Leitstellen der Landkreise Böblingen und Ludwigsburg sitzen entspannt vor ihren Bildschirmen und genießen die morgendliche Ruhe bei einer Tasse Kaffee, als plötzlich die automatische Brandmeldeanlage des Leonberger Engelbergtunnels einen Alarm anzeigt. Zeitgleich wird von den Einsatzleitrechnern "Brandalarm Stufe 1 Engelbergtunnel" für die Feuerwehren Ditzingen, Gerlingen und Leonberg sowie für den Rettungs- und Sanitätsdienst ausgelöst. Nun piepsen bei ca. 140 Einsatzkräften die Funkmeldempfänger und es beginnt eine Großübung, an welcher insgesamt etwa 500 Personen teilnehmen.

Als Übungslage wurde angenommen, dass im Baustellenbereich innerhalb der Weströhre ein Personenwagen auf eine Baumaschine geprallt ist. Hierdurch wird eine Person eingeklemmt und das Fahrzeug beginnt zu brennen. Im Stau kommt es zu einem weiteren Unfall infolgedessen ein LKW in Brand gerät. Während sich ca. 50 Personen selbstständig aus dem Tunnel retten können, sind die Fahrerin des Unfallfahrzeugs sowie weitere Fahrzeuginsassen im Verkehrsstau auf Hilfe von außen angewiesen. Außerdem wird ein Bauarbeiter im Abluftkanal unter der Fahrbahn vermisst.
Die gesamte Übungslage wurde durch Baustellenabsperrungen, Personen- und Lastkraftwagen, sowie leistungsfähige Brandattrappen und Nebelmaschinen so realistisch wie möglich dargestellt.
(Bilder 1 bis 11)

Genau wie im Ernstfall sind den drei zuerst alarmierten Feuerwehren feste Aufgaben zugewiesen. Die Feuerwehr Leonberg fährt sofort mit dem Tunnellöschzug am Südportal in die Oströhre ein. Da sich die simulierten Brandstellen in der Weströhre befinden, können die beiden Leonberger Löschfahrzeuge und der als Führungsfahrzeug fungierende Vorausrüstwagen zügig bis zum Querschlag 2 vorrücken. Dieser liegt nach Angaben der Brandmeldeanlage dem Brandereignis am nächsten und von hier aus entwickelt sich der gesamte Ersteinsatz. Generell führen sämtliche Einsatzkräfte, die in den Tunnel einfahren, Pressluftatmer als Atemschutzgeräte mit. Zu groß ist die Gefahr, dass durch eine Änderung der Windrichtrichtung oder durch eine Fehlfunktion der Rauchabzugsanlage Brandrauch in die bislang nicht betroffenen Tunnelröhren oder -bereiche eindringt. (Bilder 12 bis 19)

Auch die Einheiten der beiden Tunnellöschzüge haben eine feste Aufgabenverteilung. Der Zugführer im Leonberger Führungsfahrzeug kontrolliert auf der Anfahrt die Querschläge und bestimmt den geeigneten Angriffsweg. Die Mannschaft des ersten Löschfahrzeuges stellt den "Stoßtrupp Löschen". Diese aus fünf Feuerwehrleuten bestehende Einheit geht nach dem Aufbau der beiden Angriffsleitungen unmittelbar Richtung Brandstelle vor und versucht, den Brand so schnell wie möglich unter Kontrolle zu bringen. Um bei großen Bränden eine Beschädigung oder gar ein Versagen der Tunneldecke zu verhindern, erfolgt bei Bedarf eine Strukturkühlung, indem die Tunneldecke mit Wasser gekühlt wird. Sofern der "Stoßtrupp Löschen" beim Anmarsch auf hilflose Personen trifft, werden diese mit den mitgeführten gelben Blitzleuchten gekennzeichnet und der Zugführer per Funk über die Lage informiert. (Bilder 20 bis 31)

Die Mannschaft des zweiten Löschfahrzeugs bildet den ebenfalls aus fünf Feuerwehrleuten bestehenden "Stoßtrupp Retten". Ausgerüstet mit Taststöcken, zwei fahrbaren Korbtragen, mehreren Fluchthauben, den farbigen Kennzeichnungsleuchten sowie einer Wärmebildkamera hat dieser Trupp die Aufgabe, den Tunnel und die darin befindlichen Fahrzeuge umgehend auf hilflose Personen abzusuchen und diese zu retten. Die Maschinisten der beiden Löschfahrzeuge unterstützen sich gegenseitig beim Aufbau der Wasserversorgung. (Bilder 32 bis 34)

Schwieriger - und im Realfall auch gefährlicher - ist die gegebene Lage für die Feuerwehrleute aus Gerlingen. Weil der Wind die Luft im Tunnel in Richtung Nordportal drückt, kommt der Übungsrauch den Gerlinger Einsatzkräften schon bei der Einfahrt an der Tunneldecke entgegen. Zur Zeit- und Kraftersparnis fahren die Gerlinger Einsatzfahrzeug trotzdem soweit wie irgend möglich in den Tunnel ein. Spätestens wenn die Rauchschicht auf zwei bis drei Meter über der Fahrbahn absinkt, müssen die Fahrzeuge stehen bleiben und die Mannschaften ihren Weg zu Fuß fortsetzen. Die Aufgabenverteilung innerhalb des Gerlinger Tunnellöschzuges entspricht genau der des Leonberger Löschzuges. (Bilder 35 bis 46)

Von September 2019 bis mindestens zum Jahr 2025 werden in den beiden Röhren des Engelbergtunnels umfangreiche Sanierungsarbeiten durchgeführt. Hierdurch steigt nicht nur die Unfallgefahr im Bereich der Fahrbahnen, sondern es befinden sich auch dauerhaft Personen in den sonst menschenleeren Anlagenteilen des Tunnels.

Für die Menschenrettung und Brandbekämpfung in den unterirdischen Betriebsgebäuden und in den Kanälen unter der Fahrbahn ist die Feuerwehr Ditzingen zuständig. Sie fährt das betreffende Betriebsgebäude an und geht ebenfalls in Form von Fünfer-Stoßtrupps zur Rettung in den Technik- und Versorgungskanal unter der Fahrbahn vor. Von dort aus führen Zugänge in den Abluftkanal, in welchem der vermisste Bauarbeiter vermutet wird.

Die Umgebungsbedingungen in diesem Kanal sind im Brandfall extrem. Da die Entrauchungsanlage bei einem Brand mit voller Leistung läuft, füllt sich der Abluftkanal schnell mit dichtem, giftigem Rauch. Das Fortkommen wird durch die hohe Luftgeschwindigkeit erschwert und die Enge und schlechte Sicht stellen zusätzlich eine erhebliche psychische Belastung der Einsatzkräfte dar. Schließlich wird der vermisste Bauarbeiter gefunden und über Kanäle, Treppen und Schächte ins Freie gerettet. (Bilder 47 bis 58)

Aufgrund der Größe des Brandes und der Anzahl der im Tunnel befindlichen Fahrzeuge erhöht der Einsatzleiter um 08:10 Uhr die Alarmstufe auf "Brand Engelbergtunnel 2" und sechs Minuten später auf die höchste Alarmstufe 3. Jetzt werden in den Landkreisen Ludwigsburg und Böblingen die Feuerwehren aus 26 Gemeinden, das Technische Hilfswerk sowie starke Kräfte des Rettungs- und Sanitätsdienstes auch aus weiter entfernten Landkreisen alarmiert. Die Polizei und weitere Institutionen der Landes- und Bundesverwaltung kommen ebenfalls zum Einsatz.

Alle nachrückenden Einsatzkräfte fahren die bereits in Alarmstufe 1 eingerichteten Bereitstellungsräume im Bereich der Nord- und Südportale an. Dort werden sämtliche Fahrzeuge und Mannschaften registriert und bei Bedarf von der Einsatzleitung abgerufen. Vor der Einfahrt in den Tunnel wird bei Bedarf die Atemschutzausstattung der Fahrzeuge an den Abrollbehältern-Atemschutz der Feuerwehren Leonberg, Ludwigsburg und Sindelfingen ergänzt. Anschließend wird der Fahr-und Einsatzauftrag übergeben und die Fahrzeuge rücken bis zum Tunnelportal vor. Hier kontrollieren die sogenannten Tunnelpförtner den Fahrauftrag und geben die Einfahrt in den Tunnel frei. (Bilder 59 bis 67 und 82 bis 89)

Was sich nach umständlicher und überflüssiger Bürokratie anhört, ist für einen sicheren und effektiven Einsatz zwingend erforderlich. Dies haben die Tunnelübungen der letzten Jahrzehnte deutlich gezeigt: Damals fuhren die Einsatzfahrzeuge weitgehend unkontrolliert in den Tunnel ein, was teilweise zu chaotischen Bedingungen an der Einsatzstelle geführt hatte.

Das Technische Hilfswerk übernimmt die Beleuchtung des Bereitstellungsraumes und steht für weitere Transport- und Unterstützungstätigkeiten zur Verfügung. (Bilder 68 und 69)

Ebenfalls im Bereich der Nord- und Südportale sammeln sich die anrückenden Einheiten der Hilfsorganisationen in ihren Bereitstellungsräumen. Von dort aus werden die Patientenablagen und die Rettungsmittelhalteplätze eingerichtet. Bei Bedarf können diese im Ernstfall noch durch Behandlungsplätze für jeweils mindestens 25 Patienten ergänzt werden. (Bilder 70 bis 78)

Da der Rettungs- und Sanitätsdienst nach dem derzeitigen Einsatzkonzept wegen der Gefährdung durch den Brandrauch generell nicht in die Tunnelröhren einfährt, werden die geretteten Menschen mit Mannschaftstransportwagen der Feuerwehr aus dem Tunnel gebracht und zu den Patientenablagen transportiert. Dort erfolgen die medizinischen Sofortmaßnahmen und eine Sichtung der Verletzten. Danach werden die Patienten entweder direkt ins Krankenhaus oder - bei einem Massenanfall von Verletzten - zu den Behandlungsplätzen transportiert. (Bilder 79 bis 81)

Im Tunnel hat inzwischen die zweite Einsatzphase begonnen. Durch die nachrückenden Einheiten stehen nun genügend Einsatzkräfte zur Verfügung, um die Röhren umfassend abzusuchen, aufgefundene Personen zu retten und bei Bedarf sonstige Einsatzmaßnahmen durchzuführen. Der Zugführer wertet die eingehenden Funksprüche der vorrückenden Trupps aus und erteilt den Verstärkungskräften ihre Einsatzaufträge. Genau wie beim Ersteinsatz, gehen auch hier sämtliche Einheiten in Stoßtruppformation vor. Wo immer möglich, erfolgt eine persönliche Übergabe der sich ablösenden Trupps untereinander. Dabei werden die essentiellen Informationen zum aktuellen Einsatzgeschehen ausgetauscht. (Bilder 89 bis 100)

Bei der Übung wurde unter anderem der Vollbrand eines Lastkraftwagens simuliert. In diesem Fall kann die Hitzeentwicklung in der Tunnelröhre so groß werden, dass eine Annäherung von Löschtrupps an den Brandherd nicht mehr möglich ist. Um auch dann noch handlungsfähig zu sein, steht der Feuerwehr Leonberg seit kurzem ein neu beschafftes Löschunterstützungsfahrzeug (LUF), eine speziell trainierte Mannschaft sowie das entsprechende Zubehör zur Verfügung.

Dieser "LUF-Löschzug" wird bei jedem Brandereignis im Engelbergtunnel alarmiert und ist technisch und personell in der Lage, das Löschunterstützungsfahrzeug autark einzusetzen. Er besteht aus Einsatzkräften der Leonberger Feuerwehrabteilungen Gebersheim und Höfingen. Zur Ausrüstung gehören der Abrollbehälter "Tunnel", das zugehörige Trägerfahrzeug sowie zwei Hilfeleistungs- Löschgruppenfahrzeuge (HLF 10 und HLF 20).

Im Einsatz wie auch in der Übung fährt das LUF in der Regel durch den nächstgelegenen Querschlag in die betroffene Röhre und rückt dort soweit als möglich in Richtung Brandherd vor. Die Mannschaft verlegt die erforderlichen Spezialschläuche vom Löschfahrzeug zum LUF und sorgt für eine ausreichende Schlauchreserve. Am Einsatzort wird dann die Wasserversorgung an das LUF angeschlossen und dieses bei Bedarf mittels Funkfernsteuerung weiter in Richtung Brandherd gesteuert. Das LUF ist mit seinem Hochleistungsventilator und der eingebauten Feuerlöschpumpe in der Lage, bis zu 2400 Liter Wasser pro Minute in feinst verteilter Form über eine Entfernung von 60 Meter in Richtung Brandherd zu schleudern. Hierdurch sollen Hitze und Feuer soweit eingedämmt werden, dass sich die Mannschaften mit den Löschrohren dem Brand nähern und diesen löschen können. (Bilder 101 bis 106)

Nachdem alle Verletzten gerettet und auch die simulierten Brände gelöscht sind, endet die Großübung nach über zwei Stunden gegen 11:15 Uhr. Die Aufräumarbeiten sowie die Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft nehmen weitere zwei Stunden in Anspruch. Den endgültigen Abschluss findet die Übung auf dem Hof des Technischen Hilfswerkes in Leonberg bei einem gemeinsamen Mittagessen. (Bilder 107 bis 115)

In der Feuerwache Leonberg standen während der gesamten Übungszeit mehrere Einsatzfahrzeuge und 14 Feuerwehrleute für eventuelle Realeinsätze in Bereitschaft. Diese rückten im Laufe des Vormittags dann auch zu zwei kleineren Einsätzen aus.

Umfangreiche Informationen zum richtigen Verhalten in Straßentunnels gibt es unter folgenden Links auf den Internetseiten der Bundesanstalt für Straßenwesen und der Julius-Maximilians-Universität Würzburg:

https://www.bast.de/BASt_2017/DE/Publikationen/Medien/Tunnelfilm.html
http://www.verhaltenimtunnel.de/guide